Das am Boden ausgeschüttete Muster aus Kohlestaub zeigt die zackige Linie der Mauergrenze zwischen Ost- und Westberlin. Eine sich im Kreis drehende Feder, angetrieben von einem kleinen Motor, wischt den Kohlestaub weg. Der Kreis beschreibt idealtypisch die Fahrt der Berliner S-Bahn über die Grenze hinweg, so wie es in Berlin zwischen 1961 und 1989 tatsächlich gewesen war.
Metall, Spiegel, Schnur, Plastik, Papier, Holz, LED, Video (HD, 12´40 ), Foto (Staatsarchiv Hamburg 720-1 151-81= 17 131), Holzkiste: 205 x 146 x 166 cm
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Photo: Hayo Heye
Heine-Hamburgkiste
Staatsarchiv Hamburg
720-1 151-81= 17 131
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Photo: Hayo Heye
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Photo: Hayo Heye
Die Odyssee eines Denkmals: 1873 fertigte der Bildhauer L. Hasselrjis einen Entwurf zu einem Heinrich Heine-Denkmal. Sisi, Kaiserin von Österreich, war eine große Verehrerin des Dichters jüdischer Herkunft und wollte ihn, gegen den Willen von Hof und Öffentlichkeit, mit einem Denkmal ehren. Ihr Angebot, es Hamburg zu schenken, wurde jedoch vom Hamburger Senat abgelehnt. Also errichtete Sisi auf ihrem Landsitz „Achilleion“ auf Korfu einen Sockel, und ließ die Statue 1892 dorthin verschiffen. 1907 erwarb der deutsche Kaiser Wilhelm II. das Anwesen auf Korfu und befahl die Entfernung des Denkmals. Heinrich Julius Campe – der Sohn von Julius Campe, dem großen Förderer und Verleger Heines – übernimmt es 1909 nach Hamburg in sein Kontorhaus. Nach dem 1. Weltkrieg verschärft sich die antisemitische Stimmung, Heine-Feinde beschmieren mehrmals das Denkmal im Kontorhof. Im Mai 1926 wird das Denkmal nach Altona verbracht, 1927 wird es feierlich im „Donner’s Park“ in Altona an der Elbchaussee, aufgestellt. Dort steht es unbehelligt bis 1933, als es die Nazis „entdecken“. 1934 soll die Statue entfernt werden, aber es findet sich kein Käufer, so dass die Tochter von Campe, Olivia Bouchard, anbietet: „Wenn ich sie schon nicht verkaufen kann, dann hole ich sie mir in meine Heimatstadt Toulon”. Sie nimmt den Ausbruch des Kriegs 1939 zum Anlass, die Verschiffung der Statue nach Toulon zu realisieren. Heinrich Heine ging ins Exil nach Frankreich – nun geht auch sein Denkmal ins Exil nach Frankreich. Es wird berichtet, dass die Statue 1942, um sie vor den deutschen Besatzungstruppen zu schützen, in einer Kiste gelagert wurde und dann als verschollen galt. 1948 gelingt es Bouchard den beschädigten „Marmor-Heine“ unter Kriegsschutt wiederzufinden. Sie vermacht das Denkmal der Stadt Toulon, versehen mit der Auflage: Man möge Heine so aufstellen, dass er aufs Meer blicken könne, denn er habe die See immer so sehr geliebt. 1956 bewirkt eine internationale Initiative, dass im 100.Todesjahr Heines sein Denkmal aufgestellt wird: im Botanischen Garten des Touloner Stadtteils Mourillon.
Ausstellung: Galerie im Marstall, Ahrensburg (DE) Abbildungen: Katalog “DELIKATELINIEN” / Katalog “Von Wörtern und Räumen”
Im Raum schwebt ein Schwarm von Kugeln unterschiedlicher Größe, Farbe und Material. Über 200 Kugeln aus stumpfem Blei, spiegelndem Glas, buntem Plastik hängen gleichsam an unsichtbaren Fäden von der Decke und werden von einer sich bewegenden Lichtquelle angestrahlt. Auf den ersten Blick bilden die Kugeln eine spielerisch unstrukturierte Wolke, die sich durch Luftzug leicht bewegt. Der bunte Schwarm wird durch ein Spotlight, das, mit einem Moter betrieben, holizontal wie ein Suchlicht im Raum hin- und her schwenkt, angeleuchtet, so dass sich die Schatten der Kugeln an der Wand abbilden. Sie formen ein Satz, der ebenfalls ein wenig in Bewegung ist. Die Schatten der Kugeln schreiben ein Zitat von Walter Benjamin, “Optiker”, aus Einbahnstraße (1928): Die Neige des Menschen.
Dokument der Installation “Optiker” 2014 im Fukuoka Art Museum, Japan, 1′ 09
Ausstellung: Fukuoka Art Museum, (JP) Abbildung: Katalog “IN SEARCH OF CRITICAL IMAGINATION”
Holz, Metall, Bast, Beamer, Spotlight, Video (HD, 8’06, Loop)
Photo: Ken Kato
Anhand einer originalen Fetischfigur des Mbete-Stamms aus Gabun, die auch als Alter Ego Naho Kawabes fungiert, formuliert die Künstlerin in ihrer Rauminstallation Why am I here? ihre Suche nach der Definition des Seins. Ursprünglich entdeckte Kawabe die Figur in dem Raritätenladen Harrys Hamburger Hafenbasar & Museum, wo sie mit anderen Fetischfiguren aus unterschiedlichen Ländern versammelt war – losgelöst von ihrer originären Funktion und Bedeutung. Vermutlich war die Figur zufällig per Schiff nach Hamburg gereist, landete als »Seemannsschatz« in dem Basar auf der Reeperbahn und stand dort, ihres kulturellen Kontextes entkleidet, als kurioses Objekt unter anderen herum. In Kawabes Installation findet sich die Figur nun in einem weiteren, ihr völlig fremden Kontext wieder. Ursprünglich Fetisch, stellt sich anhand der in permanent sich verändernden Raum-Zeit-Konstellation versetzten Figur die Frage nach dem heutzutage noch möglichen Stabilitätsfaktor unserer Selbstverortungen. Why am I here? konfrontiert Betrachter*innen mit Fragen nach kultureller Zugehörigkeit, Grenzüberschreitungen und, generell gesehen, der existenziellen Frage, wie die Koordinaten Raum und Zeit unsere Identitätsvorstellungen mitbestimmen.
Text von Magnus Pölcher in: Fuzzy Dark Spot. Videokunst aus Hamburg. Deichtorhallen Hamburg / Sammlung Falckenberg