Ursula Panhans-Bühler
Naho Kawabe: “Das war mal eine ganz tolle Idee.
Ebene +14: Oase der Kunst in der City Nord Hamburg”
Aus Japan nach Hamburg gekommen, hat Naho Kawabe an der HFBK studiert und lebt seitdem in Hamburg. 2021 bezog sie ein Atelier in der City Nord, einem Industrie-Verwaltungsbezirk. Errichtet in den 60er Jahren fand dieses Projekt internationale Beachtung. Le Corbusier folgend, ging es um die Auslagerung von Konzernbetrieben aus den enger werdenden Stadträumen. Verwaltung und Arbeiten, Wohnen und Freizeit wurden integriert in einem peripheren Großraum der Stadt. Scheiternde Geschäftsmodelle für den lokalen Konsum führten dazu, dass einige dieser Räume Künstlern überlassen wurden, kommunal subventioniert. So konnte das Projekt “Ebene +14” sich zwischen 2002 und 2009 dort entfalten, bis es den gestiegenen Nutzungsgebühren weichen musste. Einige wenige Räume werden inzwischen wieder als Ateliers vermietet. So kam Naho Kawabe in die City Nord und entwickelte, gefördert von dem bundesweiten Programm „Neustart Kultur“, ein Projekt zur “Ebene+14” – “+14” bezeichnet die Höhe des Geländes über dem Meeresspiegel.
Naho Kawabe hat ein feines Gespür für neuere internationale Verflechtungen von Kunst und Künstlern. 2019 wurde sie im Rahmen der Städte-Partnerschaft zwischen Hamburg und Osaka beauftragt eine Ausstellung zu organisieren, auf der Hamburger Künstler*innen in Osaka gezeigt werden sollten. Mit dem Titel zu diesem Projekt, “Aufenthaltswahrscheinlichkeiten”, verschob die Künstlerin ingeniös einen Begriff aus der Teilchenphysik in die Sphäre der Kunst. Längst sind es nicht mehr nur in Hamburg oder Deutschland geborene Künstler, die sich hier aufhalten, der Anteil ausländischer Künstler, die es nach Hamburg verschlagen hat oder die hier eine Wahlheimat gesucht haben, ist enorm gestiegen. Und so versammelte sie 12+1 Künstlerinnen und Künstler, mit “+1” sie selbst eingeschlossen, zu der Show in Osaka.
Das Interesse an einem künstlerischen Austausch sowie an neuen Formen einer Kommunikation mit Kunstinteressierten liegt auch Naho Kawabe’s filmischer Collage “Ebene +14: Oase der Kunst in der City Nord” zugrunde. In mehr als sechs Monaten Feldforschung ist ein Bild dieser älteren Künstlerateliers und ihrer Nutzer entstanden. Kawabe’s Collage-Technik verbindet nicht nur zwei zeitliche Ebenen der Situation, die ältere künstlerische und urbane Nutzung der City Nord. Sie verknüpft das Nacheinander filmischer Sequenzen mit einer Gleichzeitigkeit, basierend auf zwei filmischen Frame-Ebenen, deren eine das ganze Bildfeld erfasst, während die zweite auf ein Insert reduziert wird. Diese Verzahnung dient nicht einfach einer Verbindung von älteren statischen Aufnahmen und neueren filmisch bewegten. Beide Ebenen verschränken sich so, dass die Grenzfelder der Räume optisch ineinander übergehen. Die filmische Bewegung entwickelt lebendige, oftmals fast kubistische Übergänge der Räume und Zeiten. Unterstützt wird dieses Travelling durch die fluide Beweglichkeit einer Drohnen-gesteuerten Kamera, deren Flug, ähnlich computer-generierten 3D-Bewegungen, sich von Gesetzen der Statik lösen kann. Innen und Außen, Vollbild und Insert, vertauschen auch die Rolle von statischem und bewegtem Raum, oder werden gleichzeitig filmisch, aber räumlich verschieden bewegt. In diese kompositorische Dynamik sind auch die 3D-Modelle der ehemaligen Ateliers einbezogen, mal als statisches Bild gezeigt, mal 3D-gedreht und in den filmischen Verlauf eingeschleust.
Naho Kawabe’s Video-Collage verknüpft also nicht nur zwei dokumentarische Ebenen, die ältere künstlerische Nutzung und die heutige verwaiste Situation dieses Teils der City Nord. Ihre Handhabung der filmischen Mittel befördert vielmehr einen raumzeitlichen Dreh in eine mögliche Revitalisierung einer künstlerischen Präsenz, die der City Nord ein neues urbanes Gepräge verleihen könnte.